Eingespannt
Eine Gitarrensaite liegt neben der Gitarre und freut sich
über ihre Freiheit. «Ich lasse mich nicht einspannen, ich will frei sein und
entspannt. Ich werde mich nicht auf diese alte Gitarre spannen lassen,
womöglich noch neben die brummige Basssaite rechts und die eintönige d-Saite
links. Nein, ich will mein Leben genießen und mich entfalten. Ich kann mich
lustig zusammenrollen und in der Sonne ausruhen.»
Aber mit der Zeit wurde es der Saite langweilig und öde. Immer so sinnlos
daliegen. Die Saite wurde in ihrer Freiheit immer einsamer und nutzloser.
Unbeachtet und wenig sinnvoll kam sich die Saite vor. Doch der Gitarrenspieler,
der sein Instrument sehr liebte, schaute auf die Saite und erkannte die
heimliche Sehnsucht. Er spürte, wie die Saite unter ihrer Bedeutungslosigkeit
litt. Da sprach er ihr gut zu: «Wenn du wüsstest, was für herrliche Musik in
dir steckt!» Ganz behutsam spannte er sie ein, immer ein wenig mehr, bis sie
ihre Tonlage gefunden hatte. Dann begann er zu spielen, und wunderbar klang die
Musik in schöner Harmonie mit all den anderen Saiten. Der Spieler hatte seine
Freude. Die Saite hatte ihre Bestimmung wiedergefunden. Und viele Menschen
konnten mit der Musik angerührt und getröstet werden. Gott möchte unser Leben
zum Klingen bringen. Er möchte uns in sein Handeln einspannen. Nicht, um uns
die Freiheit zu nehmen. Nein, Gott möchte uns die tiefste Bestimmung schenken:
von seiner Liebe angerührt, mit anderen und für andere zu klingen.
«Setzt deshalb alle eure Kräfte ein, dass ihr euch darin bewährt, wozu Gott
euch berufen und auserwählt hat.»
Quelle: Axel Kühner, Überlebensgeschichten für jeden Tag, Aussaat Verlag
