Wer nicht betet
Ein Bauer ist zu einem Festessen in der Stadt eingeladen.
Verwundert erlebt er die heiße Schlacht am kalten Büfett mit. Er sieht, wie die
feinen Herren sich begierig ihre Teller füllen und einfach zu essen beginnen.
Er bedient sich auch, setzt sich zu Tisch und spricht erst ein Dankgebet. Sein
vornehmer Tischnachbar lächelt milde und sagt: «Na Bauer, du kommst wohl vom
Lande. Seid ihr alle noch so altmodisch und betet bei Tisch?»
«Nein», antwortet der Bauer, «alle nicht.» «Das habe ich mir gedacht. Sicher
beten bei euch nur die Alten und Rückständigen», fragt der Mann weiter. «Das
nicht», meint der Bauer. «Ich will es Ihnen erklären. Sehen Sie, ich habe im
Stall ein Paar Sauen mit vielen Ferkeln, die fressen alle so. Aber bei uns
Menschen ist, dankt seinem Schöpfer für alle guten Gaben!»
Die Handhabung der Güter ist eine Vorstufe des Lebens, die Beziehung zum Geber
erst ist richtiges Leben. Was uns Menschen von den Tieren unterscheidet, ist
nicht der aufrechte Gang oder etwas mehr Verstand - daran könnte man noch
zweifeln -, sondern dass wir eine persönliche Beziehung des Dankens zu Gott
haben können. Wir Menschen brauchen nicht nur Lebensmittel in der Hand, sondern
eine Lebensmitte im Herzen.
«Ich aber singe von deiner Macht. Früh am Morgen juble ich dir zu, weil du so
gnädig bist.»
Quelle: Axel Kühner, Überlebensgeschichten für jeden Tag,
Aussaat Verlag