"Schade um den schönen Durst"
In einem kleinen Dorf wohnte ein Mann, der wegen seines
Weinkellers bekannt war. Dort lagerten die besten, erlesensten Weinsorten. Und
wenn Besuch kam, so wurde als Zeichen der Gastfreundschaft ein guter Tropfen
angeboten. Nun wurde der Kenner bester Weine nierenkrank und kam ins
Krankenhaus. Dort brachte ihm die Krankenschwester eine große Kanne Nierentee.
Er nahm den ersten Schluck und seufzte dann der Schwester
zu: «Schade um den schönen Durst!»
Aber auch Gott, der das ungestillte Verlangen des Menschen schmerzlich kennt,
der den Mangel des Menschen leidend mit ansieht, der mit der Krankheit des
Lebens mitfühlt, könnte denken: «Schade um den schönen Durst!» Und doch dient
unser «Krankenhausaufenthalt» unserer Gesundheit. Die schmerzlichen Erfahrungen
von Leid und Not, Angst und Einsamkeit können uns helfen, Gott zu finden. Gott
wählte gerade den Wein und den Kelch zum Zeichen des bitteren Leidens und gab
uns Menschen das teure, kostbare Blut seiner Passion in einem Kelch und als
Wein zu trinken. Damit wir im Leiden Christi Vergebung, im Sterben Gottes das
Leben, im ausgegossenen Opfer seiner Liebe die Heilung und Freude finden
können. - So haben unzählige Leidende sich tröstend Bonhoeffers Worte geliehen:
«Und reichst du uns den schweren Kelch, den bittern, des Leids, gefüllt bis an
den höchsten Rand, so nehmen wir ihn dankbar ohne Zittern aus Deiner guten und
geliebten Hand.» Und haben dabei an Christi Passion und seinen
Auferstehungssieg gedacht.
«Zu jener Zeit fließen Milch und Most von den Bergen herab, und die Bäche Judas
führen das ganze Jahr über Wasser. Am Tempel entspringt eine Quelle, die selbst
das trockene Schittimtal noch bewässert.»