Lammesweg geht über Löwenmacht
Auf dem Berge Mandara hauste ein mächtiger Löwe.
Unaufhörlich riss er andere Tiere und nahm sie zur Beute. Die Tiere hielten in
ihrer Angst eine Versammlung ab und kamen überein, dem Löwen einen Vorschlag zu
machen. Unbestritten sei er, der Löwe, der König der Tiere. Aber bevor er sich
jeden Tag auf seinen Beutenzügen so anstrengen müsse, wollten die Tiere
ihrerseits ihm jeden Tag freiwillig eines aus ihrer Mitte zum Fraß
bereitstellen.
So könne er im Schatten liegen und brauche sich nicht mehr so zu bemühen. - Der
Löwe war geschmeichelt und willigte ein. Die Tiere führten jeden Tag ängstlich
ein Tier herbei. Da fiel die Wahl auf einen Hasen. Der alte Angsthase dachte
bei sich, man müsse klug sein, wenn man sein Leben behalten wolle. Schleppend
und hinkend näherte er sich dem Löwen und erzählte aufgeregt, dass ihn
unterwegs ein noch mächtiger Löwe überfallen habe. Nur mit Mühe habe er
entkommen können. Zornig sprang der Löwe auf und befahl dem Hasen, ihm diesen
schändlichen Widersacher zu zeigen. Der Hase nahm den Stolzen mit zu einem
tiefen Brunnen, zeigte dem Löwen sein eigenes Spiegelbild im tiefen Wasser und
rief, da unten sitze er. Aufgeblasen vor Wut warf sich der Löwe in den Brunnen
und ertrank.
Löwenweg und Löwenmacht haben in der Geschichte der Menschheit unendlich viel
Grausamkeit und Zerstörung, Leid und Schmerzen, Blut und Tränen hervorgebracht.
Kriege und Untergang, Trümmer und Tote, Flucht und Folter, Hunger und Hass,
Armut und Ausbeutung säumen den Löwenweg. Löwen haben immer andere für sich
geopfert, um ihre Macht zu beweisen und selber zu überleben. Aber Löwenmacht
ist nur begrenzte, zeitlich und räumlich begrenzte Macht, weil sich auf Dauer
und Länge auf dem Wege der Gewalt kein Reich gründen lässt. Letztlich sind
Löwenwege immer in der Zerstörung geendet. Letztendlich führte Löwenmacht immer
in die Vernichtung, erst anderer und schließlich auch zur eigenen Vernichtung.
Wege der Gewalt und Menschen der Macht haben nie wirklich überleben können.
Aber sie haben viel Unglück und Schmerzen bereitet.
Gott hat einen anderen Weg gezeigt, den Weg der Liebe, des Opfers, der Geduld
und Versöhnung. Jesus hat seine Macht an die Liebe gebunden und seine Liebe im
Opfer stark werden lassen. Er hat sich für andere geopfert und ist zum
Überwinder geworden. Sein Lammesweg geht über alle Löwenmacht.
«Seht, das ist Gottes Opferlamm, das die Sünden aller Menschen hinwegtragen
wird.»
Quelle: Axel Kühner, Überlebensgeschichten für jeden Tag, Aussaat Verlag